Sind sie Pessimist oder Optimist? Ist ihr Glas halb leer oder halb voll? Sehen Sie zwischen schwarz und weiß nur Grautöne oder eine bunte Farbenpracht? – Es sind zwei sich diametral gegenüberstehende Weltsichten, die – so schrieb einmal der Chefredakteur des Ärzteblatts – die Menschheit in zwei Gruppen teilt. Und beide Gruppen haben natürlich Ihre Klischees: Pessimisten haben recht, Optimisten haben Spaß; Pessimisten sehen die Dinge, wie sie sind, Optimisten sind Träumer; Pessimisten gehen den Dingen auf den Grund, Optimisten verdrängen lieber und bleiben – sicherheitshalber – an der Oberfläche.
Die pessimistische Weltsicht scheint, so gesehen, im Vorteil zu sein. Den realitätsblinden Träumer oder den oberflächlichen Spaßvogel lässt man sich nur ungern nachrufen, zumal die Welt eine deutliche Sprache spricht: Krieg, Terror, Gewalt, Zerstörung, Unmenschlichkeit. Wie viele Zeichen stehen auf Zerfall, Unsicherheit und Misstrauen? Was zerbricht, zerbröckelt und zerfleddert gerade nicht alles? Auf eine Zeitenwende folgt die nächste, wobei sich die Richtung erschreckenderweise nicht verändert: Alles steht auf Untergang. Wer kann – von ‚Wollen‘ soll schon gar keine Rede mehr sein – da noch Optimist sein?
Interessanterweise ist es ein – für die Experten: wenn auch kritischer – Realist, der zum Optimismus aufruft. Nicht, weil er die bekömmlichere Wahl wäre, sondern weil der Mensch schlicht und einfach zum Optimismus verpflichtet ist. So sieht es Karl Popper, der österreichisch-britische Philosoph, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum dreißigsten Mal jährt. Popper wollte den Dingen auf den Grund gehen. Jedwede moderne Naturwissenschaft beruft sich auf seine Philosophie. Und dennoch: Nicht dem Pessimismus, sondern dem Optimismus bricht Popper die Lanze. „Optimismus ist Pflicht“, schreibt er kurz und knapp. Dabei hätte Popper (1902–1994), der eine Welt mit totalitären Mörderregimen und zwei Weltkriegen erlebt hat, allen Grund zum Pessimismus gehabt.
Auch wenn es angesichts der Stürme in dieser Welt kaum mehr ins Gewicht fällt, im Kirchenkalender scheint es gerade die Fastenzeit zu sein, die zum Pessimismus verleitet. Die Aufrufe zu Buße und Umkehr oder die Erinnerung „Bedenke Mensch, dass du Staub bist!“ haben wenig Ermunterndes an sich. Aber hat die Botschaft der Fastenzeit wirklich nichts anders zu bieten, als das Dunkle noch dunkler werden zu lassen?
Es scheint uns angebracht, gerade in der Fastenzeit dem Optimismus die Ehre zu geben. Vielleicht nicht nur, weil er die angenehmere Weltsicht ist, sondern weil Popper recht hat und wir verpflichtet sind, Optimisten zu sein. Vielleicht meint Umkehr ja Umkehr zum Optimismus, auch wenn alle Zeichen dagegenstehen? Vielleicht ist ja zuallererst die Erinnerung daran wachzuhalten, dass wir eigentlich Optimisten sein sollten? Gerade in der Fastenzeit und gerade in unserer Welt.
Am Aschermittwoch widmet sich der Bußgottesdienst um 18 Uhr einem Gedanken Hilde Domins. Sie appelliert: „Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten“. Mitgestaltet wird der Gottesdienst vom Team Elementare Musikpädagogik der Musikhochschule Würzburg. In vier „Lichtblicken“, jeweils mittwochs um 17 Uhr, werden Augustinerbrüder biblische Perspektiven in Erinnerung rufen, die zur optimistischen Lebenssicht ermutigen. Der Philosoph Wolfgang M. Schröder wird – musikalisch unterstützt von Arne Torger – am Montag, den 19.02., dem genannten Gedanken Karl Poppers nachgehen und fragen, ob der Optimismus tatsächlich die besseren Argumente auf seiner Seite hat. Dass der Optimismus verändern und ungeahntes Potential freisetzen kann, wird der Theologe und Psychologe Wunibald Müller aus psychologischer Sicht am Montag, den 11.03., in seinem Vortrag erläutern. Eine musikalische Ergänzung findet er dabei durch Dirk Rumig. Martin Lücker und Dominic Fabio Betz werden am Freitag, den 16.02., im Konzert „Die Musik ist zerbrochen“ beeindruckend präsentieren, dass auch in den dunkelsten Stunden der Geschichte in Musik und Text zumindest ein Funken Optimismus überlebt.